Spitzbodenbecher
(zu sehen in der Sonderausstellung (bis 18.03.2019) Prost Gilching! Vom wahren Ursprung des Bieres bis zum Lenzbräu)
Der ausgestellte Spitzbodenbecher war zusammen mit weiterer Keramik Teil der Grabbeigaben eines Brandgrabes aus der Urnenfelderzeit (1.200 und 750 v. Chr.) . Das Grab gehörte zu einem kleinen Gräberfeld, das im Sommer 2018 von Archäologen in der Trasse der Westumfahrung gefunden wurde. Momentan ist dieser Becher das älteste Objekt in der Dauerausstellung des SchichtWerk.
Zwischen 1.200 und 750 v. Chr. – dem Ende der Bronzezeit und der Übergang zur Eisenzeit – wurden nördlich der Alpen zwischen Ostfrankreich und der Oder die Toten verbrannt und der Leichenbrand in keramischen Behältern deponiert. Vorher – wie z.B. die Hockergräber aus der Zeit um 1.800 v. Chr. an der Ecke Römerstr./ Rathausstr. – und danach war die Körperbestattung die übliche Bestattungssitte.
Nach Verbrennung des Leichnams und eventueller Beigaben wurden die Aschereste entweder sorgfältig aufgelesen und von Rückständen des Scheiterhaufens befreit, in anderen Fällen aber auch mit samt der Rückstände des Scheiterhaufens in einer Urne deponiert.
Bei genaueren anthropologischen Untersuchungen kann zudem in einigen Fällen eine anatomisch korrekte Schichtung des Leichenbrandes beobachtet werden. Die nicht vollständig verbrannten Knochenreste wurden von den Füßen bis zum Schädel aufwärts geborgen und dementsprechend in die Urne eingelegt. Die Urnen wurden mit Schalen, Steinen oder möglicherweise vergangenen organischen Materialien abgedeckt.
Beigaben umfassen sowohl Beigefäße als auch nichtkeramische Objekte. Beigefäße wurden meist neben der Urne deponiert. Dagegen finden sich Trachtbestandteile wie Nadeln, Arm- und Halsringe, Gürtelhaken und Fibeln – sei es im verbrannten oder unverbrannten Zustand – bis auf wenige Ausnahmen in den Urnen. Waffen und Messer hingegen werden außerhalb der Leichenbrandbehältnisse deponiert. Bei den Beigefäßen handelt es sich meist um Töpfe und Vorratsgefäße unterschiedlicher Anzahl und Qualität, die zudem in unterschiedlichem Zustand vorliegen (verbrannt/unverbrannt, zerscherbt oder unversehrt).
Es ist zu vermuten, dass die urnenfelderzeitlichen Gräber in irgendeiner Weise oberirdisch gekennzeichnet waren. Zum einen werden diese nie von anderen Bestattungen gestört; zudem wurden die Grabgruben zumindest bei größeren Nekropolen in Reihen angelegt. Wo kein entsprechender Nachweis einer Kennzeichnung gelingt, sind eingeebnete Grabhügel oder organische und somit nicht mehr erhaltene Materialien wie etwa hölzerne Stelen denkbar.
Vermutlich wurde aus dem Spitzbodenbecher ein alkoholhaltiges Getränk getrunken. Weil er einen Spitzboden besitzt und nicht hingestellt werden kann, ist zu vermuten, dass das Gebräu auf einen Zug ausgetrunken werden mußte.
Als Grabbeigabe kann es der bestatteten Person in die Jenseitswelt mitgegeben worden sein. Der Spitzbodenbecher könnte aber auch Teil des Bestattungsrituals gewesen sein als eine Art Abschiedstrunk der Trauergemeinde auf den Verstorbenen.
Quelle: Stefan Kaminski, M. A., Grabbau und Bestattungssitten der Urnenfelderzeit
Spitzbodenbecher | (Restaurierung: Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege) |
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Material: | Ton |
Durchmesser: | 8,4 cm |
Höhe: | 6,5 cm |
Leihgabe: | ASSM Archäologische Staatssammlung München |
Weitere Informationen zum ‚SchichtWerk – Zeitreisen im Wersonhaus‘
unter www.schichtwerk-gilching.de.