Bajuwarische Gräber – Die Kiltis

Nach der Entfernung des Mutterbodens für einen Neubau an der Römerstraße im Gilchinger Altdorf wurden im September 2012 zunächst Verfärbungen entdeckt, die auf Pfostenlöcher und Gruben hindeuten. Die beauftragte Grabungsfirma Dig-It stieß auf drei Gräber mit zum Teil reichhaltigen Grabbeigaben.

Ausgrabung im Altdorf von Gilching

So enthielt das Grab des Mannes, der vermutlich zwischen zwanzig bis dreißig Jahre alt war, neben den Gürtelbeschlägen ein Lang- und ein Kurzschwert (Spatha und Sax) sowie den Schildbuckel. Außerdem wurde ein Sporen geborgen, woraus geschlossen werden kann, dass der Mann ein Pferd besaß.

Auch Zeichnen gehört mit zur Arbeit der Archäologen

Im zweiten Grab wurden Glasperlen einer Halskette gefunden und im dritten Grab Gürtelbeschläge. Da die nachgewiesenen Pfostenlöcher auf ein Langhaus hindeuten, könnte es sich bei den drei Bestattungen um eine Hofbestattung handeln.

Nach einer ersten groben Datierung stammen die Gräber aus dem Beginn des achten Jahrhunderts, also nach 700 n.Chr. Das korreliert mit der Datierung der bajuwarischen Siedlung am Obstgarten.


Was wird aus den „Kiltis“?

Die Grabungsfirma hat die Fundstücke an die dafür zuständigen Stellen (Skelette an die Anatomische Staatssammlung, Grabbeigaben an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege) übergeben und erstellt jetzt den Grabungsbericht.

Die Anatomischen Staatssammlung kann an Hand der Knochen unter anderem feststellen:

  • das Alter der Personen, Verletzungen und Krankheiten  durch eine morphologische Analyse,
  • die ungefähre Zeitstellung des Todes mit der C-14-Methode,
  • das Verwandschaftsverhältnis zwischen den drei Toten durch eine DNA-Analyse,
  • die Gegend, in der die Person aufgewachsen ist, durch die Untersuchung der Spurenelemente im Zahnschmelz

Die Grabbeigaben – die Waffen, die Gürtelteile und der Schmuck – erhalten eine archäologische Erstversorgung. Dazu werden sie zunächst geröntgt und die Objekte aus Eisen werden entsalzt, damit sie nicht weiter rosten und zerfallen. Durch das Röntgen kann z.B. festgestellt werden, aus welchem Eisen die Schwerter geschmiedet waren und ob noch Reste der Griffverzierung vorhanden sind. Die Korrosion zerstört zwar Eisen, kann aber Stoffreste der Bekleidung erhalten, was ebenfalls sichtbar wird. Nach der Erstversorgung ist dann zu entscheiden, ob die Grabbeigaben für eine Präsentation restauriert werden. Genaueres zur Restaurierung von Bodenfunden ist auf der Homepage des Restaurierungslabors des BLfD zu finden.

Die Gesellschaft für Archäologie und Ortsgeschichte Gilchings e.V. verhandelt mit Bürgermeister Manfred Walter, der Grundstückseigentümerin und mit dem Landesamt für Denkmalpflege, ob die Grabbeigaben nach der Restaurierung in einer Dauerausstellung allen Gilchinger Bürgern zugänglich gemacht werden können.


Stand Mai 2014

Bürgermeister Manfred Walter hat befürwortet, dass die Räume für die Wechselausstellung im Wersonhaus in eine Dauerausstellung über die Ortsgeschichte Gilchings umgewidmet wird. Auch sind die Fundobjekte am Steinlacher Weg – die „Kiltis“ – jetzt im Besitz der Gemeinde.


Röntgenaufnahmen eines Teils des Schwertgehänges

Die Gesellschaft für Archäologie und Ortsgeschichte Gilchings e.V. hat daraufhin dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) und der Landesstelle der nichtstaatlichen Museen ein Konzept für eine Dauerausstellung vorgestellt, dass von beiden Behörden unterstützt wird. Allerdings sollen wir in der ersten Ausbaustufe der Ausstellung vor allem den Übergang von den Römern zu den Bajuwaren darstellen.

Röntgenaufnahme des Sax

Das BLfD bewilligte daraufhin unseren Antrag für finanzielle Unterstützung, um einen Berater für die vollständige Ausarbeitung eines Konzepts der Dauerstellung. Ebenso werden die Kosten für die DNA- und Isotopen-Untersuchung der „Kiltis“ vom BLfD übernommen. Damit kann dann festgestellt werden, ob die drei „Kiltis“ miteinander verwandt waren und in welcher Gegend sie aufgewachsen sind. Die morphologische Untersuchung – das was von den Knochen der „Kiltis“ abgelesen werden kann – ist von uns in Auftrag gegeben worden und wird von uns bezahlt. Außerdem wurden inzwischen alle metallischen Fundobjekte der „Kiltis“ dem Restaurator übergeben, damit diese zunächst entsalzt und dann für die Ausstellung wieder hergestellt werden.

„Kiltine“

Tobias Brendle untersuchte vor allem anhand von Röntgenaufnahmen überblicksmäßig die Grabbeigaben, die ernach der Restaurierung noch einmal genauer untersuchen und wissenschaftlich auswerten wird. Die vorläufige Untersuchung ergab, dass beide Schwerter, die Gürtelgehänge und die Glasperlen typisch für die Zeit zwischen 660 und 680 n. Chr. sind. Dagegen dürfte das Schwertgehänge aus der Zeit um 640 bis 660 stammen, was vor allem an dessen Verzierung ablesbar ist.

… und ihre Glasperlenkette


Stand April 2015

Im April 2014 wurden die Metallobjekte der Grabbeigaben von der Gesellschaft für Archäologie und Ortsgeschichte Gilchings zum Restaurator Dr. D. Bach gebracht. Dort kamen die Objekte zunächst für mehrere Monate in ein Entsalzungsbad. Danach wurden sie so restauriert, dass sie in einer Ausstellung gezeigt werden können. Das anhaftende organische Material, wie Gewebereste, Holz und Leder ist dabei für weitergehende Untersuchungen erhalten geblieben. So ist bei dem Spatha, dem Langschwert, nicht nur die hölzerne Schwertscheide teilweise erhalten geblieben, sondern sie war auch mit Leder ausgekleidet. Da die Fellseite innen war, fettete sie das Schwert ein. Und weil das Schwert gegen den Fellstrich gezogen werden musste, konnte es nicht so leicht heraus rutschen. Zerbrochene oder eingedrückte Objekte, wie Gürtelschnallen oder der Schildbuckel, konnten wieder vollständig hergestellt werden. Im Oktober wurden die restaurierten Objekte abgeholt. Sie werden zur Zeit in einem klimatisierten gelagert bis sie ausgestellt werden können.

Die Einzelteile des Schildbuckels nach dem Entsalzungsbad

Im November wurden die Knochen der „Kiltis“ von Fr. Dr. v. Heyking (AnthroArch GbR) untersucht. Aufgrund der Grabbeigaben waren bis jetzt zwei der Skelette als weiblich und männlich eindeutig bestimmbar. Das dritte Individuum ist jetzt als männlich identifiziert worden. Außerdem konnte bestimmt werden, wie alt die drei Individuen geworden sind. Und zwar schließen sich die Wachstumsfugen der Langknochen, wie Oberschenkel, Oberarm oder Schlüsselbein, in einem jeweils spezifischen Lebensalter – das Kind muss ja noch wachsen können. Und je nachdem, bei welchem Langknochen die Wachstumsfuge schon geschlossen ist, kann bis zu einem Alter von knapp dreißig Jahren abgelesen werden, wie alt die Person geworden ist.

Der restaurierte Schildbuckel

„Kiltine“ ist demnach nur ca. 20 Jahre alt geworden, hatte aber schon sehr wahrscheinlich ein Kind geboren, was an den Beckenknochen abgelesen werden kann. Von der Statur her, war sie schlank und groß. So waren beispielsweise ihre Oberschenkelknochen ungefähr gleich lang wie die des „Kiltis“, aber dessen Oberschenkelknochen waren sehr viel stärker. Der „Kilti“ ist ca. 25 Jahre alt geworden, und hatte eine sehr kräftige Statur. Die dritte Person – ebenfalls ein Mann – ist vermutlich bei seinem Tod 28 Jahre alt gewesen.

Eine Gürtelschnalle des Schwertgehänges nach der Entsalzung

An keinem der untersuchten Knochen konnten Brüche festgestellt werden. Allerdings weisen alle drei Skelette Stressmarker auf, die auf eine schwere Krankheit, Mangelernährung oder Stress beim Abstillen hindeuten. Solche Stressmarker sind kleine Löcher im Augenhöhlendach oder Absätze im Zahnschmelz.

Die restaurierte Gürtelschnalle

Jedem der drei wurden zwei Zähne entnommen. Von je einem wird im renomierten Eurac-Institut in Bozen die DNA untersucht, wie es dort schon für den „Ötzi“ und Tut Ench Amun durchgeführt wurde. Inzwischen konnte die DNA extrahiert werden. Diese wird nun sequenziert. Wenn die Sequenzierung gelingt, und somit das Genom wiederhergestellt wird, können z. B. verwandschaftliche Beziehungen zwischen den Dreien untersucht werden.

Das fast vollständige Skelett der „Kiltine“

Bei den anderen Zähnen werden in Mainz die Strontium-Isotope im Zahnschmelz untersucht. Daran kann dann festgestellt werden, in welcher Gegend (Voralpenland, nördlich der Donau, usw.) die drei ‚Kiltis‘ aufgewachsen sind. Denn solange die Zähne wachsen, lagern sich Spurenelemente im Zahnschmelz ein. Und diese sind typisch für bestimmte Gegenden.

Die Untersuchungen an den Knochen der „Kiltis“ werden dankenswerterweise vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege finanziert.


Dauerausstellung SchichtWerk

Für die „Kiltis“ und ihren Grabbeigaben wird im Auftrag der Gemeinde (siehe dazu auch die Presseberichte über die Sitzung des Kulturausschusses des Gemeinderats am 26. Jan. 2015)  für von der Gesellschaft für Archäologie und Ortsgeschichte Gilchings e.V. eine Dauerausstellung aufgebaut. Der thematische Schwerpunkt der Ausstellung ist der Übergang von der Römerzeit zu den Bajuwaren. Aus dieser Zeit hat unsere Region mit der spätrömischen Siedlung Frauwiese, der gefundenen Handwerkersiedlung am Biburger Weg und den „Kiltis“ einiges zu bieten. Weitere Aspekte der Gilchinger Geschichte werden in weiteren Ausbaustufen der Ausstellung hinzukommen.

Die Ausstellung wird den Namen SchichtWerk tragen, denn in der Archäologie ist die Stratigraphie oder Schichtfolge ein wichtiger Bestandteil. Auch die verschiedenen Schichten der Untersuchungen werden gezeigt. Außerdem spielen Ge-schichten eine wichtige Rollen, um zu verdeutlichen, wie die Menschen damals lebten. Und schließlich ist der ehemalige 3. Bürgermeister und Ortsgeschichtler Rudolf Schicht noch vielen Gilchingern in Erinnerung.