Römischer Meilenstein in Gilching

Die Römer begannen sehr bald nach der Gründung ihrer Stadt (753 v. Chr.) mit ihrer Expansionspolitik. Unter Kaiser Augustus erreichten die römischen Legionen bei ihren Eroberungszügen nach Norden um 15 v. Chr. das Voralpenland. Für die schnelle Verlagerung und Versorgung der Legionen bauten die Römer ihr Straßennetz aus. Dabei wurde das vorgefundene Netz aus Saumpfaden und Karrenwegen unter militärischen Aspekten ausgebaut. Die bei Gilching vorbei führende Straße wurde so Teil der römischen Fernstraße zwischen Iuvavum (Salzburg) und Augusta Vindelicum (Augsburg)1.

Im Kampf des Kaisers Septimius Severus (146 – 211 n. Chr.) gegen seine Widersacher in Kleinasien und Gallien waren auch die Ost-West-Transitstraße von großer Bedeutung.Um die Verlagerung der oft 100.000 Mann starken Truppen und dem dazugehörigen Tross zu sichern, ließ er Straßen und Brücken vorbereiten und aufgetretene Schäden reparieren. Der Gilchinger Meilenstein2 bekundet eine solche Reparaturmaßnahme.

Der römische Meilenstein in Gilching an der Kreuzung Römerstraße/Rathausstraße.
Foto: Dr. Wilfred Waiblinger, Gilching, 2008

Marmorbüste des Septimius Severus aus dem Louvre
Quelle: roby Bildquelle. Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported lizenziert.

Römische Meilensteine lobpreisen wie Triumphbögen zuallererst den Kaiser, der sie in Auftrag gab. Erst an zweiter Stelle rangiert die Entfernung zum Provinzzentrum. Der Gilchinger Meilenstein benennt als Auftraggeber für die Wiederherstellung von Straßen und Brücken (im Straßenabschnitt 31 Meilen von Augsburg) den Kaiser Septimius Severus, seine Söhne und Mitkaiser Marcus Aurelius Severus Antoninus (Caracalla) und Septimius Geta. Die Auftragsvergabe erfolgte zwischen dem 10.12.200 und dem 9.12.201, als Septimus Severus zum 9. Mal Inhaber der tribunizischen Gewalt3 war.

IMPerator CAESAR
Lvcivs SEPTIMIVS SEVERVS PIVS
PERTINAX AVGvstvs ARABICvs
ADIABenicvs PHARTHICVS MAXIMVS
PONTIFex MAXimvs TRIBvnicia POTestate VIIII
IMPerator XII COnSvl II Pater Patriae PROCOnSvl ET

IMPerator CAESAR MARCVS AVRELivs
ANTONINVS PIVS AVGvstvs TRIBvnicia
POTestate IIII PRO COnSvl ET
Pvblivs SEPTIMIVS GETA NOBilissimvs CAESAR
VIAS ET PONTES RESTitvervnt

AB AVGvsta Milia Passvvm
XXXI

Der Imperator und Caesar
Lucius Septimius Severus Pius
Pertinax Augustus, Sieger über Araber,
Adiabener und Parther,
höchster Priester, Tribun zum 9. Mal,
Imperator zum 12. Mal, Konsul zum 2. Mal, Vater des Vaterlands, Prokonsul und
der Imperator und Caesar Marcus Aurelius
Antoninus Pius Augustus, Tribun
zum 4. Mal, Prokonsul und
Publius Septimius Geta der edle Caesar
haben Straßen und Brücken wieder hergestellt.

Von Augsburg 31 Meilen

Seit der Spätantike wurden Meilensteine oft weit verschleppt und meist als Baumaterial zweckentfremdet. Der Gilchinger Meilenstein fand sich im 16. Jh. in Hattenhofen, dann als Eckstein eingemauert im Schloss Günzlhofen. Nach Abbruch des Schlosses kam er 1830 nach München, zuerst in das königliche Antiquarium, später in die Prähistorische Staatssammlung (seit 2000 Archäologische Staatssammlung) in München, und wurde im Gebäude Kaufingerstraße ausgestellt. Hier verbrannte die weißlich-gelbe Kalksteinsäule in einer Bombennacht von 19444. Der Meilenstein in Gilching ist eine Nachbildung (Replikat).

Im Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL) findet man eine Aufnahme des Originalmeilensteins:

Foto des originalen Meilensteins

Zeichnung des Meilensteins

Die Via Claudia Augusta, die über die Alpen bis nach Bayern führt, ist auch durch zwei Meilensteine aus Italien belegt.

Beide Meilensteine enthalten den Namen der Straße, ihre Datierung, ihr Auftraggeber, ihre Länge und – was ziemlich ungewöhnlich ist – es ist ihr „Planer“ angegeben worden. Die Angaben sind so ausführlich, daß sie zu Problemen bei der Ermittlung des exakten Straßenverlaufs führen, denn während man sich über den Bezugspunkt der Straße im Norden einig ist, nämlich die Region an der Donau in der Nähe von Augsburg, werden zwei verschiedene Ausgangspunkte im Süden angegeben:

  • der Stein von Rabland/Rablà (Südtirol) nennt den Po in der Nähe der heutigen Stadt Ostiglia,
  • der Meilenstein von Cesiomaggiore (Belluno, Italien) nennt Altino (Venedig), damals schon eine wichtige Hafenstadt an der Adria.

Mit Hilfe archäologischer Untersuchungen haben die Historiker eine Verzweigung der Via Claudia Augusta bis nach Trient und einen einheitlichen Straßenverlauf von Trient nach Bayern festgestellt.

Meilenstein von Rabland/Rablà

Dieser Stein befand sich in Rabland/Rablà, in der Nähe von Meran/Merano (Südtirol). Er wurde entdeckt im Jahr 1552 und im Bozner Stadtmuseum verwahrt. Am Fundort wurde eine Kopie aufgestellt. Der Stein enthält folgenden Text:

TIberivs CLAVDIVS CAESAR
AVGVSTVS GERMANicvs
PONTifex MAXimvs TRIBvnicia POTestate VI

CONnSvl DESIGnatvs IIII IMPerator XI Pater Patrie
viAM CLAVDIAM AVGVSTAM
QVAM DRVSVS PATER ALPIBVS
BELLO PATEFACTIS DEREXSERAT
MVNIT A FLVMINE PADO AT
fLVMEN DANVVIVM PER Milia
Passvvm CCcl

Tiberius Claudius Caesar
Augustus Germanicus,
Pontifex Maximus, bekleidet mit der tribunicia potestas zum sechsten Mal,
designierter Konsul zum vierten Mal, Kaiser zum elften
Mal, Vater des Vaterlandes, hat die Via Claudia Augusta,
die sein Vater Drusus nach Öffnung der Alpen
durch Krieg hatte trassieren lassen,
ausgebaut vom Fluss Po bis zum
Fluss Donau auf einer Länge von
350 Meilen.

Meilenstein von Cesiomaggiore bei Feltre (Italien)

Dieser Stein wurde im Jahr 1786 entdeckt und blieb vor Ort in der Nähe der Villa Tauro alle Centenère aus dem 18. Jhd. stehen. Es folgt der Text auf diesem Stein und die entsprechende Übersetzung.

TIberivs CLAVDIVS DRVSI Filivs
CAESAR AVGVSTVS GERMA
NICVS PONTIFEX MAXI
MVS TRIBVNICIA POTESTA
TE VI COnSvl IV IMPerator XI Pater Patrie

CENSOR VIAM CLAVDIAM
AVGVSTAM QVAM DRVSVS
PATER ALPIBVS BELLO PATE
FACTIS DEREXeRAT MVNIT AB
ALTINO VSQVE AD FLVMEN
DANVVIVM Milia Passvvm CCCL

Tiberius Claudius Sohn von Drusus,
Caesar Augustus Germanicus,
Pontifex Maximus,
bekleidet mit der tribunicia potestas zum sechsten Mal, Konsul zum viertenMal, Kaiser zum elften
Mal, Vater des Vaterlandes,
Zensor, hat die Via Claudia
Augusta, die sein Vater Drusus
nach Öffnung der Alpen durch Krieg
hatte trassieren lassen, ausgebaut von
Altino bis zum Fluß
Donau auf einer Länge von 350 Meilen.

1) Gerold Walser, Die römischen Straßen und Meilensteine in Raetien; Stuttgart; 1983
2) Bayer. Landesamt für Denkmalpflege; Stellungnahme zum römischen Meilenstein von Gilching; 1993
3) er Begriff Tribunizische Gewalt (lateinisch tribunicia potestas) bezeichnet die Amtsbefugnisse des Volkstribunen im antiken Rom.
4) nach Günter Waller, Gilching, 1996