Webstuhl mit aufgezogenen Brettchenl (Foto: Annette Reindel)

Webstuhl für Brettchenwebtechnik
(neue Mitmachstation im Bajuwarenzimmer der Dauerausstellung SchichtWerk – Zeitreisen im Wersonhaus)

Das Brettchenweben ist eine Technik zum Weben von Bändern. Die Kettfäden werden durch gelochte Brettchen geführt. Durch Drehen der Brettchen werden diese zu stärkeren Fäden zusammengefasst, die dann durch den Schussfaden in ihrer Lage fixiert werden.

Durch die Anzahl und bestimmte Anordnung verschiedenfarbiger Fäden sowie Drehungen der Brettchen in einem bestimmten Rhythmus können unzählige motivreiche Bänder in unterschiedlicher Breite entstehen.

Der Ursprung des Brettchenwebens ist nicht geklärt. Beispiele aus der Geschichte belegen, dass es sich um eine uralte Technik handelt, um Kleidungsstücke zu verzieren und Webkanten für Stoffe anzulegen. Sie ist im europäischen, asiatischen und orientalischen Raum verbreitet gewesen. Bis ins 15. Jahrhundert war Brettchenweberei integraler Bestandteil der Textilherstellung. Danach verschwand die Technik langsam und wurde meist nur noch als ländliches Kunsthandwerk im kleinen Stil weitergeführt. Bis heute hat sich diese Handwerkstechnik noch im Kaukasus, Burma, Algerien, Yemen, Slovakei, Afghanistan, China, Indien und Japan erhalten. In Finnland, Norwegen und Island ist sie heute als echte Volkskunst zu finden sowie in Südamerika (Bolivien, Peru).

Archäologische Nachweise von brettchengewebten Borten sind äusserst selten, jedoch werden Brettchen aus Holz, Horn oder anderen Materialien gefunden, die nicht vergehen. Das zur Zeit älteste bekannte Brettchen aus Elfenbein wurde in Susa (Piemont) gefunden und wird auf das 3. Jht. v.Chr. datiert, der älteste Fund in Europa eines einzelnen quadratischen Vierlochbrettchens aus der Spätbronzezeit ist aus der Nähe von Göttingen.

Frühmittelalterliches Brettchen, Fundort Augsburg, Pfaffengässchen

Der bisher älteste Fund eines Brettchengewebes stammt aus dem 8. Jh. v. Chr. aus einem Grab der villanovazeitlichen Nekropole Sasso di Fubara in Italien.

Die wenig gefundenen Bänder weisen bereits komplizierte Webtechniken auf, die nicht mit den heute beliebten Einzugsmustern in sogenannter Schnurbindung vergleichbar sind:
Die ältesten deutschen Funde aus dem Grab des Keltenfürsten von Hochdorf stammen aus der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr.

Rekonstruktionsversuch eines Bandes in Köperbindung aus Hochdorf (D. Michel, www.rz-home.de)

Die Grabkleidung der fränkisch/merowingischen Königin Bathilde von Chelles (630 – 680 n. Chr.) schmückten Brettchen gewebte Borten in 2-Loch-Technik:

Originalborten aus dem Grab (Foto: Flinkhand Forum)

Webstuhl und Webbrettchen aus dem Oseberg Schiff, (Grabstätte in Norwegen), datiert um 850 n. Chr.

Reste eines Brettchenwebstuhls aus dem Osebergschiff, 1904 in Norwegen ausgegraben, mit 52 Vierloch-Brettchen (unten rechts) [Abb. 5 aus Heidi Stolte, Technik des Brettchenwebens, S. 436; in (3) – Copyright: Universitetets Oldsaksamling

Erwähnung findet das Brettchenweben in der „Edda“, einem isländischen Werk, das zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert geschrieben wurde: Hunnische Mädchen, die goldene Bänder mit (Hilfe von) Brettchen fertigten.

Im Stuttgarter Psalter aus dem 9. Jh: Abbildungen mit Kleidern die mit Borten eingefasst und verziert sind:

Zwei Krieger aus dem Stuttgarter Psalter

Verschiedene Techniken

Neben der einfachen Schnurbindung/Diagonale werden Bänder meist in sehr komplexen Techniken wie Doubleface, Sulawesi, Köperbindung, Kivrim, 2-Loch-Technik, 3-Loch-Technik, 5.-Loch-Muster, Flottiertechnik (Snartemo), Stippengewebe, Strukturgewebe, Flechtmuster oder Broschiertechnik gewebt, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Diese Techniken unterscheiden sich durch die Anzahl der verwendeten Löcher in den Brettchen, die Anzahl der unterschiedlichen Garnfarben, die Brettchenstellung, den Rhythmus der Ausgangsstellung und den Dreh-Rhythmus. Je nach angewandter Technik zeigen die Bänder verschiedene Muster, von Knotenmustern über symmetrische Ranken bis hin zu Buchstaben. Beliebte Motive, wie das sogenannte Widderhorn stammt aus der Türkei aus dem 19. Jh.

Materialien und Verwendung

Aus Wolle, Leinen, Seide und Goldfäden (Metalllahn) sowie aus Baumwolle können Borten und Bänder mit und ohne Brettchenwebstuhl hergestellt werden, die extrem stabil sind. Diese Bänder werden als Stoßkanten von Bekleidung, als Gürtel, als Pferdezaumzeug und heute als Hundeleinen, Gitarrenbänder, Lesezeichen oder Schlüsselanhänger verwendet.

Im Film Textil im Bajuwarenzimmer wird das Brettchenweben ohne Webstuhl vorgeführt.

Webstuhl für Brettchenwebtechnik
Beschreibung:Mitmachstation zum Weben von Borten mit Brettchen
Webstuhl: Haselnuss
Brettchen:Kirsche (mit freundlicher Unterstützung von der Schreinerei Will)
Wolle:naturgefärbte Schafwolle (Bezug: Der Diamantweber Peter Böhnlein)
Webgewichte: Ton (Ton und Brennung: Kermikunst & Farbenspiel)
Eigentümer:Zeitreise Gilching e.V.

Weitere Informationen zum ‚SchichtWerk – Zeitreisen im Wersonhaus‘
unter www.schichtwerk-gilching.de.